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Erst diesen Montag konnte ich ein ausführliches Gespräch mit Nora führen. Nora, eine attraktive Frau und ein tolles Model, hat bereits erste Erfahrungen mit einem TFP-Shooting gesammelt hat und ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit mir geteilt. In meinem Blog möchte ich euch nun mitteilen, worauf es aus meiner Sicht als Profi ankommt, was es sowohl für das Model als auch den Fotografen zu beachten gibt und welche Tipps ich für ein professionelles TFP Shooting habe. Dabei ist es mir wichtig, auch meine Erfahrung und Herangehensweise mit dir zu teilen. Falls du nicht weisst was TFP bedeutet: Die Bezeichnung Time For Pictures steht in der Fotografie für eine Vereinbarung, die zwischen dem Model und dem Fotografen getroffen wird. Statt des normalerweise üblichen Honorars stellt der Fotograf dem Model seine Bilder kostenlos zur weiteren Verwendung, zum Beispiel für den Bereich der Social Media, zur Verfügung.

Nora berichtete mir in unserem ausführlichen Gespräch darüber, dass sie erst vor Kurzem ein umfangreiches Shooting bei einem Fotografen hatte. Im Anschluss erhielt sie alle Fotos, die während des Shootings gemacht wurden zum Download kostenlos zur Verfügung gestellt. Es klingt fast unglaublich: Sie erhielt mehr als 300 Dateien in einer riesigen Datei zum Herunterladen!

Was ist da schief gelaufen?

Was Nora, als auch mich als Profi in der Fotografie dabei schockierte, war die Tatsache, dass sich der Fotograf nicht einmal die Mühe gemacht hatte, die unbrauchbaren Fotos auszusortieren. Stattdessen schickte er ihr die komplette «Ausbeute» zu. Ganz egal ob die Fotos unscharf, falsch belichtet oder einfach nur schlecht waren, er stellte alle Bilder ohne vorherige Auswahl und unbearbeitet in den Downloadlink. Vermutlich hatte er sich nicht einmal die Mühe gemacht, auch nur ein einziges seiner Fotos selbst anzuschauen, geschweige denn zu überarbeiten. Nora stand daraufhin vor dem Problem, dass sie vor einem Berg an digitalen Fotos stand, der unübersichtlich, schwer zu sortieren und meistens auch nutzlos war. Auf meine Frage hin, wie lange denn das Shooting ging, meinte sie: «Nur eine Stunde!»

Das erschreckende daran: Als ich sie fragte, wie viele der Bilder ihr denn überhaupt gefielen, antwortete sie mir, dass nur 12 der über 300 Bilder tatsächlich gelungen wären. Aufgerechnet sind dies gerade einmal 4 Prozent! Die restlichen 288 Fotos aber knabberten teilweise sogar an ihrem Selbstwertgefühl, da einige davon Perspektiven und Eindrücke von Nora gaben, die so gar nicht ihrem ansprechenden Naturell und ihrer Fotogenität entsprachen. Dies passt gar nicht zu gelungener Portraitfotografie. Ganz abgesehen davon kostete es natürlich immens viel Zeit, die über 300 Fotos zu sichten und die wenigen verwendbaren Exemplare herauszufiltern. Neben dem negativen Schub an ihrem Selbstwertgefühl war also auch ein grosser Zeitaufwand notwendig, um die Bilder zu sichten und die wenigen vernünftigen auszuwählen.

Und so erinnert sich Nora noch heute eher an die schlechten anstatt an die 12 schönen Fotos, die der Fotograf während des Fotoshootings geschossen hatte.

Wie kann es besser laufen?

Gehen wir doch mal einen Schritt zurück. Was ist der Job des Fotografen? Schlussendlich wird er von seinen Kunden am Ergebnis gemessen und auch dementsprechend an Freunde, Verwandte oder Kollegen weiterempfohlen. Ich gehe davon aus, dass er auch freundlich und nett zu seinem Model war, schließlich gehört dies neben den Fachkenntnissen zu den unabdingbaren Haupteigenschaften eines guten Fotografen, die sich bei den Kunden einprägen. Ohne soziale Kompetenz hat es noch kein Fotograf auf Dauer zum Erfolg gebracht.

Meiner Meinung nach mit dem Shooting der Job für den Fotografen noch nicht beendet. Eigentlich fängt er an diesem Punkt erst so richtig an, schliesslich ist die Portraitfotografie mehr als nur den Auslöser auf dem Fotoapparat zu drücken. Das Auswählen und die Bearbeitung gehört zur Aufgabe und eigentlich sogar zum Berufsselbstverständnis des Fotografen, sicherlich aber nicht in die Hände des Models. Wie selbstverständlich stellt jeder Fotograf nur die besten Ergebnisse auf seine Homepage – warum sollte man das bei einem TFP Shooting anders handhaben?
«Schicke nur die besten Fotos und dein Model wird begeistert sein. Bei der Sichtung der Fotos wirst du auch deine Fehler sehen und wieder lernen» ist ein Grundsatz meiner Arbeit.

Mehr als 10-20 Bilder pro Stunde/Shooting braucht kein Model. In der heutigen Zeit posten die meisten Kunden max. 3 bis 5 Bilder pro Shooting auf den Social-Media-Kanälen. Warum gibt es bei Germany’s next Topmodel bei jedem Shooting, das den ganzen Tag geht und extrem aufwendig ist, nur EIN Foto? Genau! Lieber ein perfektes Foto das umfangreich bearbeitet wird als zig unbrauchbare Bilder.

 

Mein Weg zu perfekten Resultaten bei einem TFP-Shooting

Lassen wir mal kurz die Qualität ausser Acht. Wie soll man mit dem Model kommunizieren können, wenn man Hunderte Fotos in einer Stunde macht? Zum Schluss hat man zwar viele Fotos, aber keines davon löst Emotionen aus. Denn man hat gar keine Zeit den Menschen vor der Kamera zu motivieren, ihn und seine Persönlichkeit kennenzulernen und zum Lachen zu bringen. Ganz zu schweigen davon, etwa Feedbacks zum Posing oder zur Mimik zu geben.

Wenn ich ein freies Projekt habe, dann fotografiere ich im Schnitt ca. 80 Bilder pro Stunde. Ich rechne zum Beispiel mit rund 90 Minuten Dauer für ein TFP-Shooting. Die Auswahl der Bilder mache ich im Anschluss daran immer selbst und erst am nächsten Tag.

Du fragst dich, warum ich die Auswahl nicht gleich am selben Tag, sondern frühestens am Tag danach mache? Da ich persönlich finde, dass direkt nach dem Shooting die Emotionen noch zu stark sind, um eine richtige Entscheidung zu treffen. Ist das Model megasympathisch und gab es eine gute Stimmung wirst du mehr Fotos aussuchen und für super befinden als wen es sich um eine schwierige Zeit mit einem im schlimmsten Fall sogar richtig zickigen Fotomodel handelt. Das ist menschlich. Wenn du aber eine Nacht drüber schläfst, merkst du bei der Auswahl am nächsten Tag, dass die Fotos der Zickigen manchmal sogar besser sind. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel ;-)

Die Auswahl der besten Bilder, in der Regel ca. 5-8 Stück, retuschiere ich mit Lightroom & Photoshop und sende diese dem Model zum Download per Dropbox zu. Die Bilder sende ich nicht in diversen Variationen (wie Original, schwarz & weiss, Farblook 1, 2, 3, 4), sondern immer nur in einer Variante. Welche Variante am besten ist, entscheide ich selbst. Die Fotos schicke ich in voller Auflösung, damit es zu keinen Qualitätsverlusten kommt.

Da ich Bildsignaturen oder Logos persönlich eher störend finde, stelle ich meine Bilder ohne diese zur Verfügung. Zudem sind die Models bei mir auch nicht dazu verpflichtet, mich zum Beispiel auf Social Media-Kanälen wie Instagram oder Facebook zu markieren. Dies garantiert Top-Fotos in bester Qualität, natürlich freue mich aber sehr darüber, wenn Models mich freiwillig markieren und so meine Arbeit auch zu schätzen wissen und mich bei einem grossen Publikum bekannt machen.

Bei vielen Workshops werde ich auch gefragt, ob Models/Kunden meine Bilder noch nachträglich verändern dürfen. Ehrlich gesagt ist mir das egal. Auch wenn es mir ab und zu die Haare aufstellt wie manche Kunden die Qualität der Bilder dadurch verschlechtern, so ist es doch immer auch ein Stück Freiheit und Geschmackssache. Wenn jemand unbedingt besonders schlank sein möchte, soll er dies eben tun ;-)

Was ist deine Meinung dazu? Was beachtest du bei TFP-Shootings und wie gibst du deine Bilder an die Models ab?